Roedlitzer Straße 68

„Hoyer-Häusel“ - Erste Schule
Kein Haus steht so dicht an der Straße wie dieses Gebäude in der Rödlitzer Straße. Wer auf dem Fußweg aus Richtung Rathaus kommt, sieht die Fußwegverengung und geht ganz knapp an der östlichen Hausecke vorbei. Lange bevor die Rödlitzer Straße ausgebaut und verbreitert wurde, stand dieses Haus. Es war die erste Schule von Hohndorf. Denn nach der Schultrennung von Rödlitz hatte 1838 der Hufschmiedemeister Karl Gottlob Wagner sein Wohnhaus zum Verkauf angeboten. Es wurde von der Gemeinde umgebaut. Der Fürst von Waldenburg vermachte der Gemeinde dafür 300 Taler. Friedrich Schmidt schreibt in seiner Schulchronik, dass die Einwohnerzahl von Hohndorf damals bei „wenig über 400 Seelen“ lag. Wie viele ältere Häuser in Hohndorf ist dieses Gebäude in der oberen Etage mit Schiefer umkleidet. Wer diese Dachdeckerarbeiter genauer anschaut, findet an manchen Häusern mosaikförmige oder hell/dunkle kunstvolle Verschieferung.
  • 1838
    1838 war die Zeit für eine Trennung der Schulgemeinden Rödlitz und Hohndorf reif. Der Unterricht in der überfüllten Rödlitzer Schule, der schon bisher die Kräfte eines Lehrers überstieg, genügte den Forderungen des neuen Schulgesetzes von 1835 bei weitem nicht mehr. Zudem war das Gebäude zu eng geworden. Ein Anbau drohte. Als daher im Frühjahr 1838 die Hohndorfer bei der Waldenburger Ephorie ihre Ausschulung beantragten, wurde dieser Beschluss von den Rödlitzern „erleichterten Herzens“ aufgenommen. Funke war mit 25 Talern Entschädigung von Hohndorf zufrieden, die fehlenden 50 Taler legte Rödlitz zu. Auf die Klafter Holz, die die Hohndorfer ihm weiter gewähren wollten, verzichtete er. Schon zu Michaelis 1838 sollte der erste Unterricht in Hohndorf sein. Bis dahin wollte man ein eigenes Schulhaus bauen oder ein „geeignetes Local“ finden. Dem neuen Lehrer sollte ein jährliches Gehalt von 120 Talern zugebilligt werden, dazu freie Wohnung und Heizung. Das war das Mindeste, was nach dem Schulgesetz zugestanden werden musste. Im Sommer des gleichen Jahres bot nun der Hufschmiedemeister Karl Gottlob Wagner sein Wohnhaus zum Verkauf an. Er hatte es vor einigen Jahren völlig umgebaut und als Schmiede eingerichtet. Die Gemeinde ergriff diese günstige Gelegenheit, denn als Schulhaus war es wegen seiner stillen und freien Lage wohl geeignet. Man kaufte es für 875 Taler. Diese ehemalige Schmiede musste natürlich noch einmal umgebaut werden. Am Ende des Jahres 1838 war das Schulhaus fertig. Es kostete nun 1300 Taler. Die Gemeinde bat die Herrschaft um ein Gnadengeschenk für den weiteren Ausbau. „Unsere Commun besteht aus 19 Bauern, 18 Gärtnern und 30 Häuslern, im Ganzen wenig über 400 Seelen. Die meisten Einwohner unseres Ortes befinden sich nicht in günstigen Verhältnissen und müssen sich mühsam von einer zur anderen Woche durcharbeiten, um die unentbehrlichsten Nahrungsmittel zu verdienen. Bei der immer mehr überhand nehmenden Teuerung des Getreides muss vielen unter uns wegen der Zukunft bange werden, indem der geringe jetzige Bewerb in keinem Verhältnis zu den Brotpreisen steht. Die Gemeindkasse ist erschöpft. Sie hätten erst kürzlich 200 Taler zur Reparatur des Lichtensteiner Kirchturms beitragen müssen.“ Der Fürst vermachte der armen Gemeinde ein hochherziges Geschenk von 300 Talern.
  • 1839
    Obwohl die neue Schule zu Beginn des Jahres 1839 fertig war, wollte sich für 120 Taler jährliches Gehalt kein Lehrer finden lassen, denn eine Dorfschule, mit der kein Kirchendienst verbunden war, wodurch sich das Einkommen auf das Doppelte erhöhte, galt als Nebenschule. Zudem herrschte großer Mangel an Lehrern. Endlich, am 15. Mai 1839, meldete sich Christian Wilhelm Friedrich aus Treuen im Vogtland nach Hohndorf. Er hatte kurz zuvor die Kandidaten-Prüfung in Plauen bestanden. Die übliche Probe vor der Gemeinde wurde ihm erlassen. Am Sonnabend, dem 20. Juli, hielt der erste Hohndorfer Lehrer seinen Einzug. Man hatte einen Wagen nach Treuen geschickt, um ihn und seine Frau herbeizuholen. Die Kinder erwarteten „ihren“ Lehrer an der Lichtensteiner Grenze, um ihn im feierlichen Zuge nach der Schulwohnung zu begleiten. Anschließend wurde ihnen, zur Erinnerung an diesen großen Tag, eine „Ergötzlichkeit“ gewährt. Am Abend des gleichen Tages versammelten sich die Mitglieder des Gemeinderates und die Gerichtspersonen zu einer Mahlzeit im Gasthof, um sich dem „Herrn Schulmeister“ bekannt zu machen. Die hoffnungsfrohe, freudige Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als der Gemeindevorsteher Johann Gottlob Bauer verkündete, dass er heute auf mündliche Vorladung im Amte gewesen sei. Dort habe man ihm ein hochfürstliches Dekret vorgelesen, dass Ihre Durchlaucht der Gemeinde Hohndorf weitere 200 Taler allergnädigst geschenkt habe, ihr Schulfond also jetzt 500 Taler betrage. Von diesem Gelde sollten Bänke, Pult und Bücher gekauft werden. Doch hatte man in der langen Wartezeit alle Einrichtungsgegenstände schon aus eigenen Mitteln beschafft. Diese 500 Taler blieben auch weiterhin erhalten. Nur von den Zinsen sollten die notwendigen Schulausgaben gedeckt werden. Doch schlug man auch diese immer wieder zum Kapital, sodass zur Einrichtung der zweiten Schule, unseres Rathauses, 244 Taler an Zinsen vorhanden waren. 1899 betrug das fürstliche Vermächtnis 2000 Mark.

    Am 25. Juli führte der Rödlitzer Lehrer Funke 84 Hohndorfer Schulkinder ihrer eigenen Schule zu. Wir wollen nun einiges aus dem ersten Unterricht in Hohndorf schildern: Die Kinder waren ihrem Alter nach in zwei Klassen eingeteilt. 1839 befanden sich in der Oberklasse 47, in der Unterklasse 47 Kinder. Jede Klasse hatte 16 Stunden Unterricht, was dem heutigen Stand eines ersten Schuljahres entspricht. Der Unterricht währte für die Oberklasse von 7 bis 10 Uhr, für die Unterklasse von 1 bis 4 Uhr. Mittwochs und sonnabends hatten beide Klassen je zwei Stunden Schule. Da im Sommer die größeren Kinder bei der Ernte gebraucht wurden, gingen sie von Mitte Juli bis zur eingebrachten Kartoffelernte nachmittags, die Kleinen, die während der Arbeit am Vormittag im Weg waren, schickte man dagegen früh zum Unterricht.

    Folgende Fächer werden wöchentlich in der Oberklasse unterrichtet: 3 Stunden Katechismus, 3 Stunden Bibel- und Gesangsbuchlesen, je 2 Stunden Rechnen, Schreiben und gemeinnützige Kenntnisse, 1 Stunde Deutsch, 1 Stunde Singen. In der Unterklasse: 6 Stunden Lesen, 2 Stunden biblische Erzählungen, 2 Stunden Denk- und Sprechübungen, 3 Stunden Schreiben, 3 Stunden Rechnen.

    Viel Freude werden die Hohndorfer Kinder, die bisher mehr als Kostgänger die Rödlitzer Schule besucht hatten, ihrem neuen Lehrer nicht gemacht haben. Die wenigsten Kinder Oberklasse lasen mit Fertigkeit, dagegen die meisten recht mangelhaft. Zudem fehlte es an Lesebüchern für die Unterklasse (eingeführt war das Zwickauer Lesebuch) und Bibeln für die Oberklasse. In eine einzige Bibel sahen oft drei Kinder. Auch im Schreiben waren sie arg vernachlässigt. „Ihre Federn sind von der elendsten Beschaffenheit“. Man benutzt noch Federkiele. Die Tinte besorgte der Lehrer gegen zwei Pfennige Entgelt. Sie wurde in mitgebrachten Tontöpfchen aufbewahrt. „Zu Hause wird nicht ein einziger Buchstabe geschrieben.“ Der Deutschunterricht war bisher ein unbekanntes Ding und musste neu aufgebaut werden.

    Kein Wunder, dass der inspizierende Lichtensteiner Pfarrer Schödel bemerkt: „In der Hohndorfer Schule werde keine Aufsätze gefertigt“ und „Bei den Diktierübungen muss fast alles berichtigt werden.“ Auch im Rechnen der Oberklasse zeigten sich wenige Fortschritte. Der Lehrer klagte über die Trägheit und Schläfrigkeit, besonders der Knaben, da sie frühzeitig das Vieh austreiben und übermüdet zur Schule kommen. Mit 6 Stunden in der Woche war Religion immer noch das Hauptfach der Oberklasse. Am Montag wiederholte man regelmäßig die Predigt vom vergangenen Sonntag. Das kunstvoll aufgebaute Frage- und Antwortspiel, Katechese genannt, bildete die Krone des Unterrichts. Der Unterricht wurde im Allgemeinen wenig versäumt. Nur zur Kartoffelernte haperte es. Im Herbst 1849 waren einmal ganze 5 Kinder anwesend. Zahlreiche Versäumnisse werden aus den Hungerjahren 1846/47 berichtet. Die Kinder waren auf der Suche nach Brot oder lasen Ähren auf den Feldern. Der erste Lehrer Friedrich hielt nur ein knappes Jahr in Hohndorf aus. Am 10. Mai trat er als Kirchschullehrer in Rußdorf bei Werdau an. Trotz aller Bemühungen war ein neuer Lehrer nicht aufzutreiben. Als die Kinder sich nach den Pfingstferien wieder zum Unterricht einstellten, mussten sie heimgeschickt werden. Die Schule blieb bis auf Weiteres geschlossen.
  • 1840
    Am 11. Juli 1840 traf endlich ein neuer Lehrer in Hohndorf ein: Johann Heinrich Lobegott Müller, gebürtig aus Dittmannsdorf bei Zschopau. Er hat das eine höhere Bildungseinrichtung in Chemnitz und das Lehrerseminar in Freiberg besucht und war zuletzt Hilfslehrer in Neukirchen bei Chemnitz. Er heiratet 1841, trotzdem ihn das Konsistorium in Waldenburg warnt, sich auf dieser schlecht bezahlten Schulstelle seßhaft zu machen. 1842 wird er hier ständig. 1851 ist seine Familie mit seiner Mutter auf 8 Personen angewachsen. Er gerät namentlich in den Elendsjahren 1846/47, in bittere Not. Seine Bewerbungen um besser bezahlte Stellen werden abschlägig beschieden. Endlich 1856 gelingt es ihm nach Wolkenstein zu entkommen.
  • 1856
    Für ihn tritt am 1. März 1856 Christian Wilhelm Vogel aus Bernsdorf ein „als treuer pflichteifriger Lehrer bekannt, der insbesondere das Wort Gottes gläubig, treu und gewissenhaft den Herzen der Kinder einzuprägen sucht.“ Er kam erst mit 30 Jahren zum Lehrerberuf.
Der Hohndorfer Wilhelm Reinhold, gestorben 1938, erzählt:

„Der Eingang zu unserer Schule war in der Mitte des Hauses. Links lag die Lehrerwohnung, rechts die Schulstube, ein nackter, öder Raum.
Ein einziges Bildchen, die Kreuzigung, hing verloren an der Wand. Licht hatten wir genug, denn an drei Seiten befanden sich Fenster. Dafür zog es im Winter gewaltig, und der mächtige eiserne Ofen konnte die große Schulstube kaum erwärmen. Es wurde von der Frau des Lehrer oder einem Schulmädchen vorher angefeuert. Außerdem wurde mit der Feuerung sehr gespart, denn von dem Holzdeputat, das die Gemeinde jährlich lieferte, musste auch des Lehrers Küche unterhalten werden. So haben wir oftmals recht gefroren, denn Unterhosen besaßen wir nicht.
Mein Vater fragte manchmal, wenn ich aus der Schule kam: „Was hast du für kalte Hände! Gib sie her, ich will sie wärmen! Ich besinne mich noch an zwei Petroleumlampen mit bauchigem Zylinder, die seitlich an der Wand hingen. Zum Glück brauchten wir kein Licht, denn die Schule begann im Sommer um 7 Uhr und im Winter um 8 Uhr.
Da war nun jeden Morgen eine buntscheckige Gesellschaft, meistens Bauernkinder, versammelt. Im Sommer lief natürlich alles barfuß, im Winter erschienen wir in Holzpantoffeln oder Stiefeln. Unsere Kleidung zeigte doch eine gewisse Einheitlichkeit; die blaue Schürze.
Zwölf lange Bänke standen im Schulzimmer, auf jeder Reihe sechs. Hüben saßen die Buben, drüben die Mädchen. Jede Bank hatte ihr gehöriges Maß und bot sechs Kindern Platz. Vor wurde die sogenannte „faule Bank“ für besondere Zwecke freigehalten. Es fanden sich also auf einmal 72 Schulkinder ein, die vor Schulbeginn den nötigen Lärm vollführten. Da – ein Schlag auf die klapprige Türklinke, die als Griff eine breite eiserne Platte hatte, und sofortige Stille.
Der Lehrer trat ein, der alte Christian Vogel, ein ehrwürdiger Herr in langem, herabwallenden, weißen Haar. Der Unterricht begann mit Choral-gesang, den der Lehrer auf dem Harmonium begleitete, denn nur so wurden unsere Stimmen einigermaßen zusammengehalten. Das Kernfach war natürlich Religion, womit jeder Unterricht anfing. Dann folgte Lesen und Schreiben. Der Lehrer legte uns öfters Vorlagen auf die Bank. Das waren fertige, wie gestochen geschriebene Aufsätze, wobei wir uns bemühten, sie ebenso schön abzuschreiben. Ich erinnere mich noch an ein Thema „Über die Gasbeleuchtung“, alles in einem lehrhaften, schwülstigen Deutsch. Auch die so genannten Diktate fertigten wir auf bequeme Weise.
Wir schrieben sie von der Wandtafel ab. Im Rechnen mussten wir wenigstens die vier Grundrechenarten beherrschen. Ja, wir verstiegen uns sogar zu den Dezimalbrüchen. Wenn der Lehrer bei besonders guter Laune war, zeigte er uns ein Buch über das Mineral-, Pflanzen- und Tierreich und ließ uns die Bilder bewundern. Wir hatten sogar einen Globus, worauf wir besonders stolz waren, denn solch ein kostbares Lehrmittel besaß nicht jede Schule. Auch eine Landkarte mit den beiden Erdhälften war vorhanden (seit 1839). Von Geschichte hörten wir nichts.
Und doch erlebten wir in unserem Dörfchen auch einmal ein Stück Geschichte. An einem Sommertag im Jahre 1866 saßen die Kinder während der Frühstückspause an der Straße. Da ritten fünf preußische Ulanen mit vorgestreckten Lanzen durch. Sie hielten an und fragten die Kinder nach dem Weg nach Zwickau. Diese Stadt lag außerhalb des Horizonts. Sie konnten den Weg nicht angeben, bis schließlich der Lehrer herbeigeholt wurde und ihnen den Weg zeigte. Meine Spielgefährten und ich, die wir noch nicht in die Schule gingen, hatten diesen Vorfall bemerkt und waren vor Furcht hinter die Erlenbüsche gekrochen.“


Im Allgemeinen verlief der Unterricht pausenlos von 7 bis 11 Uhr. Die Stundeneinteilung fehlte, denn der Lehrer besaß keine Taschenuhr. Wenn wir das Gefühl hatten, es könnte um 11 sein, horchten wir gespannt auf das Mittagsläuten der Rödlitzer Kirche. Oder der Lehrer schickte eins in die Küche, um die Zeit zu holen. Leider ging meistens die Porzellanuhr nicht. Dann liefen wir zu Winklers (Eltern des verstorbenen Baumeisters) und ließen uns die Zeit sagen. Die Konfir¬manden hörten an bestimmten Tagen um 10 Uhr auf. Sie mußten pünktlich sich um 11 Uhr zum Konfirmandenunterricht in Lichtenstein einfinden. 1872 kamen 5 Knaben und 5 Mädchen aus der Schule. 1876 waren es 10 Knaben und 5 Mädchen.
Schularbeiten kannten wir nicht. Von einem intensiven Unterricht wie heute konnte keine Rede sein, trotz der aufgewendeten Zeit und Mühe. (Am Ende des 4. Schuljahres konnten die Kin¬der kaum notdürftig lesen und schreiben.)
Wo 72 Schulkinder zusammensaßen, wo der einzelne garnicht auffiel, auch genügend Gelegen¬hei¬ten hatte, sich zu verbergen, waren natürlich Störungen gegeben. Oh, unser Lehrer konnte auch streng sein! Eine Schulstrafe war: Knien auf der Bank. Es war recht beschämend, wenn die auf der Straße Vorübergehenden den Uebeltäter sehen konnten. War der Fall schwerer, dann kniete er vorn am Pult.
Im Herbst wurden wir größeren Buben öfter zum Kühehüten beurlaubt. Na, wir klatschten da am Schulhaus tüchtig mit der Peitsche. Gewöhnlich wurden wir darauf hin wieder hereingeholt.
Noch muß ich die Leichenbegängnisse erwähnen, wobei die besten Sänger unter den Schulkin¬dern mitwirkten, etwa 15 Mann. Unsere Beteiligung richtete sich aber ganz nach der Vermö¬genslage der Verstorbenen. Wenn ein armer Häusler begraben wurde, wobei hinterher nichts für uns abfiel, war unser Gesang recht schwach. Anders verhielt es sich, wenn ein Bauer beerdigt wurde. Da waren wir vollständig erschienen, um unseren Kupferfünfer zu erhalten. Wir sangen vor dem Trauerhause drei Choräle. Früher hielt unser Lehrer, ich sehe ihn noch in seinem schwarzen Rock und dem altersgrauen Hut, anschließend eine Trostrede, was ihm allerdings höchstes Mißfallen seiner geistlichen Schulbehörde eintrug. Dann folgte der lange Weg nach Lichtenstein. Im Winter, bei Sturm und Kälte, war solch ein Leichenbegängnis recht beschwer¬lich. Auf der Juchhöh‘ wurde halt gemacht. Wir sangen unseren Abschiedscho¬ral. In früheren Zeiten soll hier der Sargdeckel nocheinmal abgehoben und die Leiche ange¬schaut worden sein. Der Leichenbesteller war, nachdem er in aller Form die Nachbarn zur Beerdigung eingeladen hatte, vornweg nach Lichtenstein geeilt und hatte den Lichtensteiner Chor beordert, der dann den Lei¬chenzug von der Altmannkurve nach dem Friedhof sang.
Auch die Weihnachtsferien sind mir eine liebe Erinnerung. Um 6 Uhr abends trafen sich die Kin¬der in der Schulstube. Jedes hatte ein Wachsstöckchen oder eine Kerze mitgebracht und vor sich auf die Bank gelegt. Dann wurde angezündet, und es erstrahlte ein für uns unerhörter Lichter¬glanz. Von der Decke herab funkelte ein Glasleuchter. Auf dem Pulte brannten zwei zweiarmige zinnerne Leuchter. Dahinter ragte die Gestalt unseres Lehrers in schwarzem, eng zugeknöpftem Rock mit weißer, frischgewaschener Halsbinde. Er intonierte zunächst auf dem Harmonium und wir sangen jubelnd: „Ihr Kinderlein, kommet.“ Dann folgte die Hauptsache, nämlich ein Frage- und Antwortspiel über die Weissagung auf Christo von Moses bis zu dem Propheten Micha. Dieses Spiel war schon wochenlang vorher eingeübt worden. Jedes Kind kannte seine bestimmte Frage und wußte die bestimmte Bibelstelle als Antwort, die dann stolz mit kindlichem Pathos angesagt wurde. Alles ging wie am Schnürchen. Es besuchten uns nämlich auch Erwachsene, und der Eindruck, den dieses Paradestück auf sie machte, war un-verkennlich. Vor dem Heimgehen verteilte Christian Vogel Schriften und Traktätchen, denn er war in der äußeren Mission sehr tätig, und so bekam auch jedes Kind von ihm sein Weih¬nachtsgeschenk.
Christian Vogel, der unser Hohndorf als „stilles, beschauliches Dörfchen“ schilderte, erlebte noch sein Erwachen, die Umwandlung eines Bauern- in ein Kohlendorf. 1868 war die Teufe des Hedwigschachtes in Oelsnitz beendet. Man förderte Kohlen in bisher unbekannter Menge. Um den Abtransport nach Lichtenstein zu erleichtern, wurde die heutige Bahnhofstraße durch den Wald geschlagen. Seitdem ratterten die Kohlengeschirre auch durch unseren Ort, und die Post¬kutsche nach Stollberg wußte oft nicht, wie sie sich an ihnen vorbeidrängen sollte. Der Zuzug fremder Bergleute nach Hohndorf begann. 1873 zählten wir schon 700 Einwohner.
Nach dem glücklichen Ausgang des 70er Krieges setzte, wie überall, auch bei uns eine wagef¬reu¬dige Industrie-Epoche ein. 1872 wurde im Folgenwalde der Helene-Idaschacht und auf der Höhe des Fleischerberges der Vereinigtfeldschacht geteuft. Die Bauern erhielten für das Unte-rirdische ihrer Grundstücke ansehnliche Geldbeträge, der Scheffel galt 100 Taler, die sie in erster Linie zur Verschönerung ihrer Güter verwendeten. So hatte sich der Gastwirt Forbrig beim Verkauf des Rögergutes die Grundstücke auf dem Fleischerberg, bestanden mit dürftigen Geräuschen, ausgezogen. Als er diese an die Bergwerksgesellschaft verkaufte, soll er einen ebenso hohen Ge¬winn, wie vorher für das ganze Gut erzielt haben. Auch die Gemeinde verkaufte das Unterirdische ihres immer noch ansehnlichen Geländes, so des Angers und des Gemeinde¬berges, an die Berg¬werksgesellschaften, ebenfalls den Scheffel für 100 Taler.
Im Sommer 1872 durfte der Lehrer Christian Vogel aus der Freude über den unverhofften Se¬gen ein Schulfest feiern. Wilhelm Reinhold berichtet darüber: „Am 13. Juli 1872, ich weiß das Datum noch genau, war das erste Schulfest in Hohndorf. Die Gemeinde hatte viel Geld für die Kohlenfelder von den Bergwerksgesellschaften bekommen. Das war Grund genug, einmal ein rechtes Freudenfest zu veranstalten. Wir holten aus dem Wald genug Reisig für Girlanden und Ehrenpforten. An einem Montag, da zogen 140 Schulkinder, festlich gekleidet, unter schmet¬tern¬der Blasmusik durch den Ort nach dem Gasthof. Gutsbesitzer Fankhänel hatte in Chemnitz Ab¬schußvögel, Armbrüste und Stechvögel gekauft. Es war ein unvergeßlicher Tag!“

Nunmehr konnte an den dringend notwendigen Schulbau gedacht werden. Die einzige Schul¬stube war mit 80 Kindern in der Oberklasse und 80 Kindern in der Unterklasse mehr als überfüllt. Die Bänke standen rechts, links und hinten an der Mauer an. Der Platz war so eng, daß die Kinder nicht gleichzeitig schreiben konnten. Christian Vogel richtete daher für einen Teil der Kin¬der eine Hilfsklasse im Schreiben ein, was ihm als Privatunterricht vergütet wurde. (Schon 1861 wollte man vier Ellen an das Schulhaus anbauen. Es unterblieb jedoch wegen Geldmangels.)

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