Rödlitzer Straße 44

1846 lautet die Jahreszahl über dem alten Türeingang. Das Gut selber ist viel älter und gehört zu den ersten im Dorf. Noch im 19. Jahrhundert baute man die sogenannten „Wohnstallgebäude“. Was ist damit gemeint? Die Wohnräume der Bauernfamilie und der Stall waren in einem Gebäude untergebracht. Eine Tür auf der Frontseite des Hauses führte in den Hausflur und von dort in die Wohnung. Eine zweite Tür auf der Vorderseite führte in den Stall. Dort standen Kühe. Auch für Schweine und Kälber war ein Bereich abgetrennt. Im Obergeschoss waren die Schlafkammern für Familie und Knechte. Auf dem Boden am Schornstein gab es die Räucherkammer. Im schmalen Keller unter dem Hausflur wurden Kartoffeln gelagert.

Auf dem Thümmlergut, früher Selbmanngut, wohnten die Radelsführer der aufmüpfigen Bauern, die sich 1661 gegen die schweren Frondienste der Lichtensteiner Herrschaft auflehnten. 1909 heiratete Otto Thümmler Frieda, die Tochter des Bauern Emil Selbmann und übernahm die Wirtschaft. Je nach finanzieller Lage und Bedarf haben die Hohndorfer Bauern ihre Gebäude um- und angebaut. Rudi Thümmler ließ nach der Kollektivierung der Landwirtschaft einen großen Kuhstall errichten. Nach der Wiedervereinigung gestaltete Martin Thümmler mit seiner Frau Gudrun das Gut zum Reiterhof um. Anstelle der Kühe stehen heute Pferde in den Boxen.


Der Bauernaufstand in der Herrschaft Lichtenstein 1661 (gekürzt)

Nach dem 30jährigen Kriege waren die Frondienste besonders erdrückend. Viele Gehöfte lagen verwüstet. Die Besitzer waren verschollen. Ehemalige stolze Bauern waren zu ärmlichen Handbauern herabgesunken. Dafür wurden die übrigen umso mehr belastet, so dass sie unter gesteigerten Frondiensten zu leiden hatten.
Nun hatten die Bauern der Herrschaft Lichtenstein den Grafen Georg Ernst von Schönburg beim kaiserlichen Kammergericht in Speyer verklagt. Die vermehrten Fronleistungen sollten wegfallen und ihr Vertrag von 1638 von der Herrschaft genau eingehalten werden. Ihre Hauptforderung waren aber nur zwei Frontage in der Woche. Die Bauern der Herrschaft Glauchau frönten wöchentlich nur einen Tag, die kursächsischen sogar nur fünf Tage im Jahre.
Zwei der klügsten Bauernführer, Peter Selbmann aus Hohndorf und Thomas Heinicke aus Rüsdorf, unternahmen seit 1658, solange lief schon der Prozess, mehrmals die gefährliche Reise nach Speyer, um den kaiserlichen Anwälten ihre Notlage eindringlich zu schildern. Sie waren oft mehrere Wochen von ihrem Anwesen fort. Dem Amtmann kam dieser Prozess höchst ungelegen. Er hatte vor drei Jahren die Unruhen mühsam unterdrückt. Warum mussten die beiden Rebellen die Flamme des Aufruhrs frisch anfachen? Sobald das Gerücht umging, die zwei Sendboten seien wieder da, schickte er bewehrte Leute in ihr Gehöft, um sie zu fangen. Selbmann und Heinicke konnten doch jedesmal rechtzeitig benachrichtigt werden und entwichen.
So hatte am 4. April 1661 der Hausvogt mit einigen reisigen Knechten das Gut des Peter Selbmann (Thümmler) umstellt, um den Bauern auszuheben. Leider vergeblich! Da den beiden Aufrührern an Leib und Leben nicht beizukommen war, „wurde ihr Hab und Gut mit Arrest beschlagen“. Zu Anfang des Jahres 1661, nach 3-jähriger Verhandlungsdauer, überbrachte der kaiserliche Bote das Urteil des Kammergerichts. Die Bauern hatten verloren: Die drei wöchentlichen Frontage blieben. Anfang Februar ließ die Herrschaft einen Auszug des Urteils veröffentlichen, und zwar für die günstige Hälfte: „Die Untertanen haben ihre Frondienste wie anno 1638 unweigerlich zu leisten, sich zur rechten Zeit einzustellen und ihre Arbeit gebührend zu verrichten.“. Die übrigen Punkte des Urteils wurden verschwiegen, weil sie der Graf nicht als endgültig ansah. Selbmann und Heinicke, die den gesamten Spruch in Speyer gehört hatten, versicherten, dass dieser Teil günstig für die Bauern lautete. Mehrere Wochen gingen ins Land. Das gesamte Urteil wurde nicht bekanntgegeben. Die Bauern waren aufs höchste erbittert. Der Amtmann witterte erneut Aufruhr.
Und richtig, am 7. Mai begann der Widerstand, zwar noch recht harmlos. Die Hohndorfer kamen alle miteinander eine Stunde zu spät zur Düngungsfuhre. Zur Strafe hatte jeder 3 Gr. am kommenden Freitag ins Armut zu erlegen. Natürlich zahlte niemand. Darauf wurden zunächst geringe Sachen, wie Beile, Spanschnitzer und dergl. pfändet mit der Ermahnung, ihre kleine Schuld richtig zu machen. Als sich niemand dazu bequemen wollte, wurde wegen 3 Gr. Vieh gepfändet.
Am 15. Mai marschierten der Hausvogt Paul Scheffler, der Fronknecht und einige Diener die Lichtensteiner Straße herein. Wie auf Kommando, eilten die Hohndorfer herbei, sogar Gersdorfer waren anwesend. Die erste Kuh wurde bei Peter Peßler (Illing) aus dem Stalle gezogen, die zweite bei Peter Rau (Kämpf, A.). Die beiden Bauern schrien: „Wir lassen das Vieh nicht folgen! Wenn es draußen bleiben sollte, so wollen wir mit hereingehen. Wir lassen uns nichts verderben! Wir kommen dem nach, was uns geheißen, aber andere Herrschaften bleiben bei einem Tag Frondienst. Es kommt daher keiner mehr ins Amt! Wir wollen auch nicht mehr frönen.“ Auch die übrigen Zuschauer begleiteten das Schauspiel mit „losen“ Reden. Der Hausvogt ließ sich jedoch durch die Drohreden nicht irre machen und pfändete noch bei folgenden Bauern: Hans Schneider (List), Hans Müller (Götze), Michel Selbmann (Fritzsche), Jakob Lasch (Fankhänel), Hans Päßler (Ebersbach). Die Tiere wurden zusammengestellt und vom Richter Veit Merten und vom Fronknecht nach dem Schlosse zugetrieben. Auf den Richter entlud sich nun der Rest des bäuerlichen Zornes: „Wenn du dem Fronknecht hilfst, die Kühe wegzutreiben, so wollen wir dich hinausjagen!“
Am nächsten Tage, Mittwoch, den 16.Mai, lagen die Wälder um das Lichtensteiner Schloss voller Bauern. Jeder trug eine Wehr, eine Uxt oder einen Prügel. Sie hatten außerdem Zuzug aus den Herrschaften Glauchau und Waldenburg erhalten. So lagerten in den Bernsdorfer Hölzern die Langenberger und Chursdorfer. Die Michelner, Stangen-dorfer und Kuhschnappler marschierten durch die Stadt, hin und zurück. Auch nachts kampierten die Bauern in den Wäldern und unterhielten Wachtfeuer. Auf der Jochhöh brannte ein „schlecht Feuerlein“, wie der Amtmann bemerkte. Die Bauern stellten an allen Zugangsstraßen zum Schlosse Wachen auf, kontrollierten den Verkehr und hatten sogar etliche reisende Leute untersucht. Zum Unglück waren der Graf, der Ortsschreiber abwesend. Ein Eilbote sprengte ihnen entgegen: „Sie sollten sich bei der Heimreise in acht nehmen, damit sie nicht unter eine solche Rotte gerieten“.
Auch die Lichtensteiner Bürger waren durch diese Vorgänge stark beunruhigt: Böse Gerüchte durchwanderten ihre Gassen: die Mittelmüllern Marie Richter habe gesehen, wie sich die Bauern die Kugeln mit Fäusten ausgeteilt hätten. Und die Bauern hätten zu ihr gesagt: Da ist eine Lichtensteinische Frau. Morgen sollen die Bürger nur herauskommen! O, wir Bauern haben Kugeln mit Verzierung.
Am Sonntag, dem 20.Mai, ließen sie im Schlosse anfragen, ob die Herrschaft eine Abordnung empfangen wolle. Das wurde zugesagt. Kurze Zeit später brachten 28 Mann dem Amtmann ihre Wünsche vor: Es möchte ihnen das Speyer`sche Urteil und zum Vergleich die jetzige Frönerordnung vorgelesen und von beiden eine Abschrift erteilt werden. Das wurde bewilligt. Darauf gingen alle Bauern aus den Wäldern nach Hause.
Das Speyer`sche Urteil hatte die Bauern schwer enttäuscht und ihnen keine Erleichterung gebracht. Darum setzten sie Ende Mai von sich aus zwei Frontage fest mit der Begründung: Wenn andere Herrschaften nur einen Frontag verlangen, so wollen wir wenigsten zwei tun.
Am 10.Juni bestellte der Amtmann aus jedem Dorfe ein paar Mann ins Schloß, aus Hohndorf waren es Peter Päßler und Hans Schneider, und händigte ihnen feierlich ein „patent“ aus. Das sollten sie ihren Genossen vorlesen. Kurze Zeit später finden wir die Bauern in einer Lichtensteiner Schenke. Sie studierten eifrig das gräfliche Schreiben: Es wurde allerhöchste Strafe angedroht, wenn sie bei ihren zwei Frontagen weiter blieben. Außerdem wurden alle Zusammenrottungen verboten. Die Bauern besprachen ihre Lage und hatten allen Grund, sich Mut zuzutrinken. Gegen Abend waren sie soweit. Sie schrieen wie die Jäger: „Hoi, hoi, ei, wir fragen nicht danach. Wir tun es nicht!“ In später Stunde tönte frommer Choralgesang aus dem Bierhause: „Betrübtes Herz ist wohlgemut“.
Ein Widerstand gegen den gräflichen Willen war diesmal eine gefährliche Sache. Leib und Leben standen auf dem Spiele. Ein fester Zusammenschluss der Landschaft tat mehr Not denn je. Die Bauernführer berieten darum eine Zusammenkunft nach Gersdorf. Diese Eidversammlung fand auf Hans Selbmanns Garten unter freiem Himmel statt. Oberster Führer wurde Hans Selbmann aus Gersdorf, ihm zur Seite traten Peter Rauh aus Hohndorf, Martin Zill aus Micheln, Paul Förster aus Stangendorf. Die Bauern traten an sie heran und gelobten durch Handschlag, treu zu ihnen stehen zu wollen, mag kommen, was da wolle. Es wurde hin- und hergeredet, gewettert und geschimpft. Endlich verkündete Hans Selbmann folgende Beschlüsse: „Wir wollen nicht mehr zwei Tage frönen. Und wenn es weiter so lose hergeht, so wollen wir nur einen Tag tun. Wenn ausgepfändet wird, so soll es herum angesagt werden, und ein Dorf soll dem anderen zu Hilfe kommen. Wer diese Gebote übertritt, soll all sein Hab und Gut verlieren und als ein Schelm gelten“. Zum Schluss ging Hans Selbmann unter den Bauern umher, ließ sich nochmals die Hand drücken und Treue geloben.
Unterdessen verstrichen wieder acht Tage, ohne dass die Bauern von ihrer neuen Ordnung abgingen. Den fehlenden 3.Tag vermerkte der Amtmann im Strafregister.
Am 18.Juni bestellte er nochmals die acht Bauernführer, denen er das gräfliche Schreiben gegeben hatte. Gleichzeitig waren alle Dorfrichter und die Ratsherren der Stadt geladen. Der Amtmann fragte die Bauern: „Erklärt euch im Namen eurer Gemeinde: Wollt ihr parieren oder nicht!“ Trotzig erwiderte Hans Landgraf aus Gersdorf: „Wir können nicht mehr tun als bisher“. Und der Hohndorfer Peter Peßler setzte hinzu: „Des Dings ist zuviel!“ Die anderen nickten zustimmend. Ein Wink des Amtmanns, und die acht Bauern wurden von den gräflichen Knechten abgeführt. Am Abend konnte der Hausvogt dem Amtmann berichten: „ Hans Landgraf und Peter Peßler stecken im Turm, Martin Zill und Hans Selbmann in der Marterkammer, die übrigen unter der Zugbrücke“.
Der Graf wusste, dass die Bauern diesen Streich nicht hinnehmen würden. Er hatte heimlich Vorsorge getroffen und 12 gräfliche Schützen bestellt. Am Abend des 18. Juni war das Häuflein böhmischer Helden in Hartenstein angelangt, freilich mit Zittern und Zagen, denn schon in Eibenstock wäre ihnen gar bange gemacht worden: Die rebellischen Bauern würden sie alle totschlagen. Darum fragten sie den dortigen Amtmann, ob sie auch sicher nach Lichtenstein kommen könnten. Im Dunkel der Nacht erreichten sie endlich ungehindert die schützenden Mauern des Lichtensteiner Schlosses.
Am Abend dieses ereignisreichen 18. Juni trafen sich ferner heimlich die Bauern bei Peter Rau, dem letzten Führer, der noch nicht hinter Gefängnismauern saß. Hier wurde beschlossen, daß man übermorgen in aller Frühe die Herrschaft überrumpeln und ihre Brüder befreien wolle.
Am Mittwoch, dem 20. Juni, strebte ein Gersdorfer und Hohndorfer Bauernhaufen auf dem Marktsteig nach dem Schlosse zu. Sie waren bewaffnet mit Äxten und Knüppeln. Unterwegs trafen sie die Rödlitzer, die vorsichtig ihre Stecken daheim gelassen hatten, um sich, wenn es hart zugehen solle, als harmlose Zuschauer ausweisen zu können. Mit Spott und Gelächter wurden sie empfangen: „Was wollen die Narren und haben nichts in Händen?“ Einem Rödlitzer wurde eine Schlagstange aus den Händen gerissen und entzwei getreten. Auch bei den anderen war das Häuflein wirklich Standhafter nur klein, denn die meisten liefen mit, weil sie den Spott ihrer Nachbarn fürchteten. Es musste sogar ausgemacht werden:“ Wer sich nicht wehrt, auf den wollen wir selber schlagen“.
Auf der Juchhöh warteten sie auf die Oberlungwitzer. Sie wurden mit der Frage empfangen: „Was habt ihr vor Gewehr?“ Darauf wiesen diese ihre Stecken vor. Ihre Ausrüstung war zufriedenstellend, und die anderen sagten: „So kommet immer mit und folget uns nach!“
Ihren Plan, die Herrschaft am frühen Morgen zu überraschen, hatte jedoch ein Dorfrichter verraten, und der Graf traf seine Gegenmaßnahmen. Die Bauern waren daher nicht schlecht erschrocken, als sie einen Trupp herrschaftlicher Reiter und Graslitzer Schützen auf sich zukommen sahen. Sie gingen nach Hohndorf zurück und blieben auf der Bernsdorfer Höhe auf freiem Felde stehen. Dadurch sicherten sie sich einen freien Überblick über das Gelände. Auf der Jochhöh hatten sie eine Posten von vier Mann zurückgelassen. Auf einmal rannten die vier Bauern zu ihnen hin, winkten und schrieen: “Jetzt kommen sie geritten!“ Alle Augen sahen gespannt nach der Hohndorfer Höhe. Die Reiter mussten eben die Lichtensteiner Straße hereinkommen. Doch nichts geschah. Die Reiter waren den Kirchsteig nach Rödlitz abgebogen. Anscheinend wollten sie den Bauern Gelegenheit geben, noch rechtzeitig zu verschwinden. Diese befanden sich denn auch in heilloser Verwirrung. Die einen beschlossen, den Reitern ins Dorf entgegenzugehen. Die anderen, darunter alle Rödlitzer, blieben unschlüssig stehen und überlegten, ob es nicht besser wäre, heimzugehen. Schon war der Bauernhaufen gespalten. Der entschlossene Teil, etwa 50 Mann, machte sich grimmen Mutes auf den Weg, den Gräflichen entgegen.
Da tauchten die Reiter auf der Hohndorfer Seite auf, überschritten die Lichtensteiner Straße und hielten auf die Bauern zu. Diese schrieen sich gegenseitig Mut zu: „Wir müssen uns brav wehren! Wir müssen unsere Haar daransetzen! Ein Schelm, wer vom Platze wegkommmt!“ Und doch liefen einige zu den übrigen Zuschauern zurück. Zorn und Spott höhnte ihnen nach: „Seht, diese laufen am Galgen wieder vorbei!“

An dem denkwürdigen 20. Juni früh 1/2 5 Uhr trafen beide Haufen zusammen. Der Hausvogt fragte: „Was wollt ihr?“ Die Bauern fragten ebenfalls: „Was wollt ihr?“ Darauf der Hausvogt: „Ihre hochherrlichen Gnaden haben mich beauftragt, euch ins Schloss hereinzuholen!“ Die Bauern: „Gut, wir gehen mit!“ Doch sofort besannen sie sich anders, denn sicherlich liefen sie in eine Falle und würden ebenfalls wie ihre Führer eingekerkert. Sie sagten darum: „Wir gehen nicht eher, bis die anderen Bauern (aus Glauchau und Waldenburg) kommen!“ Als sich nun die Reiter anschickten, den störrischen Haufen zu bedrängen und abzuführen, schlug Veit Selbmann aus Gersdorf mit seinem Knüppel nach einem Knecht, unterstützt von seinem Nachbar Georg Dost. Ein kurzes Handgemenge! Den Bauern wurden Äxte und Knüppel abgenommen. Ein schlagendes Pferd trennte sie von einander. Hans Zill wurde durch den Hut in den Kopf gehauen.
Wie eine Herde widerspenstiger Tiere wurden die Bauern nach dem Schlosse zugetrieben. Als die übrigen sahen, wie schmählich dieses Treffen endete, fuhr ihnen der Schreck in die Glieder. Sie flüchteten. Auch dem letzten Führer Peter Rau (Kämpf, U.) gelang es zu entkommen. Er rannte nach Hause, koppelte seine Tiere los und verschwand mit ihnen nach Erlbach. Die 44 Gefangenen wurden in der Marterkammer des Schlosses an den Wänden entlang gereiht, immer zwei an zwei, an Armen und Beinen gefesselt.
Drei Wochen Gefängnis „bei Hunger und Hitze, Durst und Unrat“ hatten die Bauern schließlich mürbe und verzagt gemacht. Der Amtmann fand bei den Verhören meist reuige und zerknirschte Sünder vor. Wer nicht aussagen wollte, wurde in den Stock gelegt. Ein schwerer Holzklotz umschloss Arme und Beine – und löste schließlich die Zunge. So erfuhr der Amtmann alles, was er wissen wollte. Viele Bauern, die sich bisher ihrer Freiheit noch erfreuten, wurden beschuldigt und in der Nacht ebenfalls hereingeholt. Alle, die glaubten, sich irgendwie oder irgendwann gegen den gräflichen Willen versündigt zu haben, drückten sich darum aus der Gegend. Die umliegenden kurfürstlichen Dörfer: Auerbach, Eckersbach, Pöhlau, Crossen, Mittelbach, Erlbach, Kirchberg, Ursprung, Pfaffenhain bekamen Zuzug aus unserer Herrschaft. Doch war es auch für viele „Ausländer“ recht gefährlich, sich durch Flehen erweichen zu lassen, die „Lichtensteinischen“ und ihr Vieh aufzunehmen. Ein kurfürstliches Mandat hatte ihnen 20 Taler Strafe angedroht. Leider konnte der Amtmann nicht des Haupträdelsführers Peter Selbmann habhaft werden. Er befand sich in Kirchberg bei Lugau in Sicherheit.
Anfang Juli kam vom Jenaer Schöppenstuhl das Urteil: Die fünf Anführer, die in Haft saßen, Hans Selbmann, Hans Landgraf und Veit Selbmann aus Gersdorf, Peter Peßler aus Hohndorf, Martin Zill aus Micheln wurden ewig des Landes verwiesen. Das gleiche Schicksal teilten weitere fünf Bauern, die bei dem Treffen losgeschlagen oder falsch ausgesagt hatten. Veit Selbmann sollte vorher gestäubt werden, weil er den ersten Hieb getan.
Am 6. Juli vormittags 9 Uhr schleppten die Knechte den Gefangenen hinunter auf den Markt vor das peinliche Halsgericht, ein ergötzliches Schauspiel für die Bürger, ein „erschreckendes Exempel“ für die Bauern. Dem Veit Selbmann wurde zuerst laut und vernehmlich das Urteil vorgelesen. Darauf musste er Urfehde schwören, dass er sich nicht an der Herrschaft und an ihren Beamten rächen wolle. Zum Schluss trat der Scharfrichter aus Glauchau vor und peitschte ihn mit Ruten zur Stadt hinaus. Übel geschlagen und geschändet erreichte er am selben Tag die Grenze. Sein Hab und Gut wurde eingezogen.
Die Nachricht vom Schicksal Veit Selbmanns wurde sofort den 60 Gefangenen in der Marterkammer hinterbracht und wirkte niederschmetternd. Sie gelobten bedingungslos Gehorsam und wollten es durch einen feierlichen Eid bekräftigen. Außerdem waren sie zu einer willkürlichen Geldstrafe bereit. Wie musste es aber den Anführern im Turme zumute sein! Sie sollten heute noch fort von Weib und Kind, fort von Haus und Hof. Verzweiflung erfaßte sie. Demütig baten sie die Herrschaft um Gnade. Nur Hans Selbmann war aus härterem Holze und meinte: „Ich stehe doch beim Streit und sollte ich Leib und Leben zusetzen!“
Durch den erneuten Trotz hatte er seine und die Lage seiner Genossen nur verschlimmert. Sie sollten nunmehr nicht bloß aus der Herrschaft ausgewiesen, sondern auf den Festungsbau nach Dresden gebracht werden.
Am frühen Morgen des 8. Juli versammelten sich die Frauen und Kinder der verhafteten Bauern vor dem Schlosse. Den 60 Gefangenen in der Marterkammer löste man die Fesseln und führte sie heraus. Ihre Angehörigen stützten ihnen in die Arme. Die neun Übeltäter wurden nicht losgeschlossen und schleppten ihre Ketten mit sich. Jetzt öffnete sich das Schloßtor und nahm die Schar der Gefangenen mit ihren Weibern und Kindern auf. Eine große Überraschung wartete ihrer: Auf dem Schloßhof standen in Reih und Glied 22 kursächsische Reiter mit einem Korporal und dem Scharfrichter. Ferner waren der Amtmann, sowie die Ratsherren in feierlicher Amtstracht, der Graf und die Gräfin anwesend.
Jetzt trat der Amtmann vor und hielt eine wohlgeformte Rede, die namentlich dem Hans Selbmann galt:“Wir haben so viele Höfe und heillose Leute, die darum berühmt sind, dass sie sich unter dem gemeinen Mann hervorgetan und ihm viel übervernünftige Einbildungen von großen Freiheiten gemacht haben. O, Torheit, über Torheit! Selbmann, Selbmann, du hast selbst bekannt, dass du den Vertrag getan zu diesem heillosen, zu diesem schädlichen zu diesem verwerflichen Bündnis. Du sagtest aber, die ganze Landschaft habe es dir aufgetragen. Auf die verließest du dich. Ungereimt! Du selbst bist ihr Obrigster, jawohl , ein Verhetzer, Verführer, Vergifter! Ein einziger Direktor des ganzen Unfugs, ein Übertrotzer des armen Haufens!“
Einige Frauen baten weinend die Gräfin, eine Fürbitte für ihre verführten Männer einzulegen. Schweigend überreichte der Korporal einem seiner Reiter ein Schreiben, aus dem dieser etwa folgendes vorlas: Der Durchlauchtigste Kurfürst von Sachsen ordnet an, daß die Rebellen unverzüglich unter dem Geleit der Reiter zu dem Festungsbau nach Dresden gebracht werden sollen! Der Amtmann benützte die Verwirrung der Bauern und fügte hinzu: „Darin haben sich die übrigen und sonst Erschienenen zu spiegeln!“ „Also“, fuhr er fort, „ihr sollt bekennen, dass ihr mit dem Ungehorsam und dem Widerstand Unrecht getan und euch an gnädiger Herrschaft versündigt habt! Ihr sollt daher eine untertänige Abbitte leisten und eine willkürliche Geldstrafe für verursachte Schäden erstatten! Ferner sollt ihr mit einem körperlichen Eid schwören, dass ihr nunmehr euren Frondiensten gehorsam nachkommen wollt bei Verlust von Hab und Gut, von Leib und Leben.“
Die Bauern sprachen diesen Eid nach. Den gefesselten Rädelsführern wurde verboten mit-zuschwören. Darauf knieten alle nieder und leisteten Abbitte und baten zugleich für ihre neun Genossen. „Darbey denn auch viele Weiber und Kinder gewest, die zwo Stunden lang auf ihren Knieen ruhendt und seufzendt sitzen blieben.“
Der Graf hatte sich schließlich durch „ihr elendes und klägliches Bitten“ erweichen und auch diesen neun Bauern Gnade widerfahren lassen. Doch sollte ihnen eine höhere Geldstrafe, nämlich 20 Taler, zuerkannt werden. Sie bitten um Ermäßigung. Auch das wird ihnen zugesagt, wenn sie alle übrigen Bauern, die am Aufstand nicht beteiligt waren, bewegen können, freiwillig auf dem Schlosshof zu erscheinen, um dasselbe Treuegelöbnis zu leisten.
Am 11.Juli machten sich auf dem Schloßhof nochmals 50 Bauern dienstpflichtig, die neun Sprachen ihre Abbitte und bedingungslosen Treueeid.
Peter Selbmann erlebte diese völlige Niederlage im „Ausland“. Er reiste nochmals mit dem ehemaligen Gersdorfer Richter und dem ausgestäubten Veit Selbmann nach Speyer. Es war umsonst! Trotz einer kaiserlichen Entscheidung und eines gräflichen Versprechens, sich nicht an ihm zu vergreifen, endete dieser Mann, der nie vom rechtlichen Wege abgewichen war, 1663 im Gefängnis.

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